“Trauer” um den Bahnhof Zoo

Manche Leute haben in ihrem Leben offen­bar so wenig Schlim­mes erlebt, dass es für sie bereits ein Anlass zur Trauer ist, wenn in einem Bahn­hof plötz­lich keine ICE-Züge mehr halten. Anders ist es nicht zu erklä­ren, dass in der Nacht zum Sonn­tag etwa 50 Menschen eine Kund­ge­bung auf dem Harden­berg­platz und im Bahn­hof Zoo veran­stal­tet haben, auf der sie Kränze nieder­ge­legt haben. Kränze, wie sie norma­ler­weise bei Beer­di­gun­gen oder Trau­er­fei­ern für gestor­bene Menschen genutzt werden.

Was ist denn passiert? Es gab eine Umstruk­tu­rie­rung der Bahn in Berlin, drei Statio­nen wurden zu Fern­bahn­hö­fen umge­baut, einer zum Regio­nal­bahn­hof herun­ter­ge­stuft. Das ist alles. Die Leichen­bit­ter­mi­nen der Demons­tran­ten waren eher pein­lich, man war mitlei­dig berührt. Es wurde der Eindruck erweckt, als wäre die West-Berli­ner City nun vom Rest der Welt abge­schnit­ten, der Kudamm würde in den nächs­ten Mona­ten und Jahren veröden, Massen von Gewer­be­trei­ben­den würden nun in den Ruin getrie­ben. Und das, obwohl es in der City Ost bisher auch keinen Fern­bahn­hof gab und die Menschen dort trotz­dem nicht verhun­gert sind.
Die Gegner der Schlie­ßung waren sehr flei­ßig: Mehr als 110.000 Unter­schrif­ten haben sie in den letz­ten Mona­ten gesam­melt, wer da wohl alles unter­schrie­ben hat? Natür­lich gibt es Gründe, für den Bahn­hof Zoo zu sein. Gerade für Anwoh­ner und Gewer­be­be­triebe ist ein naher Fern­bahn­hof sehr prak­tisch. Trotz­dem sollte man realis­tisch sein: Der Bahn­hof Zoo ist für eine Stadt wie Berlin als Haupt­bahn­hof auf Dauer zu klein. Beson­ders ange­nehm ist der Aufent­halt in der Enge selbst bei norma­lem Verkehrs­auf­kom­men nur für Kuschel­be­dürf­tige. Und ein Grund zur “Trauer” ist die Maßnahme ganz gewiss nicht. Trauer ist ein tiefes persön­li­ches Gefühl. Wer dieses Gefühl hat, weil in “seinem” Bahn­hof keine ICE-Züge mehr halten, hat eine merk­wür­dige Form von Bezie­hun­gen.

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