Fünf Jahre nach dem Erschei­nen von Betti­nas »Königs­buch« fand in Berlin die März-Revo­lu­tion statt. Zwar exis­tiert eine Fülle von Veröf­fent­li­chun­gen über die Kämpfe inner­halb der Stadt, wenig jedoch über die Betei­li­gung der Vorstadt-Bewoh­ner. Aus den weni­gen Berich­ten hier zwei Auszüge:
»Die Rosen­tha­ler Vorstadt vom Haak­schen Markt ab ist von dem Andrän­gen des Mili­tärs gänz­lich frei geblie­ben. So auch das soge­nannte Voigt­land vom Rosen­tha­ler Tore bis zum Orani­en­bur­ger und Neuen Tor hinab. Sämt­li­che hier gele­gene Torwa­chen wurden wie durch Zauber­schlag durch das Volk erstürmt und durch Stein­würfe hart zuge­deckt. Das Volk hatte keine einzige Schuss­waffe. Furcht­bare Barri­ka­den erho­ben sich auch in diesem Stadt­vier­tel. Wir zähl­ten allein in der Rosen­tha­ler Straße mit deren Fort­set­zung, der Brun­nen­straße, 17 Barri­ka­den, von denen sich beson­ders die am Haak­schen Markt und die zwischen den Häusern No. 36 und 71, Ecke Lini­en­straße, durch plan­mä­ßige hand- und schuss­feste Cons­truc­tion und Anlage auszeich­ne­ten. Das Rosen­tha­ler Tor mit dem daran­sto­ßen­den Commu­ni­ca­tio­nen war allein durch 5 Barri­ka­den befes­tigt. Hinter densel­ben wogte das Volk, selbst Frauen und Kinder, in buntem Gemisch durch­ein­an­der. An Schuss­waf­fen war hier der große Mangel, selbst an Säbeln fehlte es; man drang daher auf verschie­de­nen Punk­ten in die Eisen­nie­der­la­gen und bewaff­nete sich mit Eisen­stan­gen, Äxten, Beilen; in den Schmiede- und Schlos­ser­werk­stät­ten wurden Lanzen geschmie­det. Der Besit­zer einer bekann­ten Maschi­nen-Bauan­stalt verteilte auf diese Weise in weni­gen Minu­ten 6 Cent­ner Eisen­ge­räth­schaf­ten.

Ein gewal­ti­ger Barri­ka­den­bau bedeckte auch die Rosen­tha­ler Vorstadt und das soge­nannte Voigt­land. Einige der Barri­ka­den in dieser Gegend hatten eine voll­kom­men archi­tek­to­ni­sche Cons­truc­tion und waren so fest gebaut, dass sie unzer­stör­bar und undurch­dring­lich schie­nen. Der Kampf drang in seinen größe­ren Wogen nicht hier­her, aber das Volk rüstete sich dazu mit unge­heu­rer Anstren­gung. Gleich­zei­tig mit dem Vorrü­cken des achten und zwölf­ten Infan­te­rie-Regi­ments hatte die Caval­le­rie einen Angriff auf die Vorstädte des Schön­hau­ser, Rosen­tha­ler, Hambur­ger, Orani­en­bur­ger und Neuen Tores gemacht. Aber die braven Vorstäd­ter hatten Zeit genug gehabt, ihre Stra­ßen zu sper­ren, und wiesen hinter ihren Barri­ka­den jeden Angriff der Reiter mit entschlos­se­nem Mute zurück.«

Der dama­lige Pfar­rer Kuntze von der unmit­tel­bar am Vogt­land gele­ge­nen Elisa­beth-Kirche war dage­gen nicht nur Seel­sor­ger, sondern bewies auch nach außen hin den Mut eines treu an seinem Königs­haus hängen­den Preu­ßen. Zusam­men mit seinem Diakon Meuß lief er in der Nacht des 18. März stun­den­lang umher und ermun­terte »seine Leute«, ihrem ange­stamm­ten Königs­haus die Treue zu halten. Das war etwas, was gerade in dieser Nacht auch hätte schief­ge­hen können. Kuntze sagte später: »Das Jahr 1848 brachte den ganzen Schlamm der inne­ren Verderbt­heit zum Vorschein. Nach­dem die miss­ver­gnüg­ten Prole­ta­rier am 18. März bei den Barri­ka­den in der Stadt gehol­fen hatten und mehrere dersel­ben gefal­len waren, wurde das Spiel am Sonn­tage, den 19. März, in der Vorstadt wieder­holt, wobei sich beson­ders die Weiber auszeich­ne­ten. Das Jahr 1848 hat es zu schau­er­li­cher Klar­heit gebracht, was Berlin und Preu­ßen in Zeiten der Gefahr vom Voigt­lande zu erwar­ten haben. Merk­wür­dig war, dass die Männer noch von den Weibern über­trof­fen wurden, ein schlim­mes Prognos­ti­kon, wenn man bedenkt, wie haupt­säch­lich von den Müttern die Beschaf­fen­heit der kommen­den Gene­ra­tion abhängt.
Wenn ich in meiner Gemeinde nur ein halbes Dutzend entschlos­se­ner Männer mit zur Seite gehabt hätte, es wäre nicht eine Barri­kade im Voigt­land errich­tet worden!«

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