Das Militär in Moabit

An eini­gen Orten gibt es sie noch: Gebäude, deren Ausse­hen verrät, dass sie mal zu einer Kaserne gehört haben. Vor allem in der südli­chen Rathe­nower und der Krupp­straße findet man noch Über­bleib­sel, die davon Zeug­nis able­gen, dass hier mal eine der größ­ten Kaser­nen Preu­ßens stand. Genau­ge­nom­men waren es mehrere Kaser­nen hinter­ein­an­der. Das Gelände zog sich von der Inva­li­den­straße über Alt-Moabit, Rathe­nower Straße, Perle­ber­ger und Lehr­ter Straße. Dazwi­schen verlau­fen die Seyd­litz- sowie die Krupp­straße.

Um die Größe des Areals zu begrei­fen, kann man sich bewusst machen, was sich heute dort alles befin­det: Im Süden beginnt es mit der Zille-Sied­lung. Daran schließt sich der gesamte Fritz-Schloß-Park an, das Post­sta­dion mit seinen vielen zusätz­li­chen Plät­zen, der Halle und dem Schwimm­bad. Weiter nörd­lich die Tuchol­sky-Grund­schule und dann die Poli­zei­ka­serne.

An der Inva­li­den­straße, wo sich heute die Zille-Sied­lung befin­det, stand das Haupt­ge­bäude der Ulanen-Kaserne: 164 Meter lang, im Burgen­stil mit Türmen und Zinnen, 1848 fertig­ge­stellt. Ulanen, das waren Reiter­sol­da­ten und so gab es dahin­ter noch Ställe für 670 Pferde. Solda­ten des hier statio­nier­ten „2. Garde-Ulanen-Regi­ment“ betei­lig­ten sich an der Liqui­die­rung aufstän­di­scher Arbei­ter- und Solda­ten­räte im März 1919. Bereits am 15. Januar 1919 waren Ange­hö­rige dieser Truppe an der Ermor­dung Rosa Luxem­burgs und Karl Lieb­knechts im Großen Tier­gar­ten betei­ligt (Kommando Haupt­mann Pabst).

Nörd­lich der Seyd­litz­straße bis zur Krupp­straße war das „4. Garde­re­gi­ments zu Fuß“ unter­ge­bracht. Mehrere der Kaser­nen­ge­bäude stehen heute noch an der Rathe­nower Straße. Dort ist auch direkt gegen­über der Turm­straße der ehema­lige Haupt­ein­gang des Kaser­nen­kom­ple­xes, heute der größte Zugang zum Fritz-Schloß-Park. Hier waren etwas über 2.000 Solda­ten des Wach­re­gi­ments statio­niert.

Das „1. Garde-Feld­ar­til­le­rie-Regi­ments“ schließ­lich befand sich auf dem Gelände der heuti­gen Poli­zei­ka­serne zwischen Perle­ber­ger und Krupp­straße: Vier Mann­schafts­ge­bäude, Ställe für 728 Pferde, ein Reit­saal, eine Waffen­werk­statt sowie ein reprä­sen­ta­ti­ves Offi­ziers­ka­sino. Das meiste davon ist heute noch vorhan­den, wenn auch teil­weise kaum noch erkenn­bar ist, aus welcher Zeit es stammt. Zwischen 1.100 und 2.000 Solda­ten waren in dieser Kaserne statio­niert.

Nach dem verlo­re­nen Ersten Welt­krieg musste Deutsch­land mili­tä­risch abrüs­ten. Dies hatte auch Auswir­kun­gen auf die Moabi­ter Kaser­nen. Schwere Geschütze waren nicht mehr erlaubt, auch die Trup­pen­stärke musste stark redu­ziert werden. Das große Kaser­nen­ge­bäude an der Inva­li­den­straße wurde von Behör­den als Büro­haus genutzt, teil­weise sind Wohnun­gen für ausge­schie­dene Unter­of­fi­ziere einge­baut worden.

Am 14. Dezem­ber 1918 trafen Trup­pen des 4. Garde­re­gi­ment unter Oberst Wilhelm Rein­hard von der West­front in Berlin ein. Mitt­ler­weile waren Teile der Kaserne von linken Solda­ten­rä­ten besetzt und es kam zur mili­tä­ri­schen Konfron­ta­tion, die Rein­hard gewann. Im Februar und März 1919 fanden im Zeitungs- und Regie­rungs­vier­tel erbit­terte Kämpfe statt. Nach­dem Reichs­wehr­mi­nis­ter Gustav Noske (SPD) das Stand­recht in Berlin verkün­det hatte, betei­ligte sich die Rein­hard-Truppe an will­kür­li­chen Erschie­ßun­gen von Matro­sen der Volks­ma­ri­ne­di­vi­sion, revo­lu­tio­nä­ren Arbei­tern und Solda­ten­rä­ten.

Die „Rathe­nower Kaser­nen“ blie­ben unter reak­tio­nä­rer Verwal­tung. Zwan­zig Jahre später zogen 1939 von hier die Solda­ten des “Regi­ments Groß­deutsch­land” in den Polen­feld­zug. Die verblie­be­nen Solda­ten beauf­sich­tig­ten als „Wach­ba­tail­lon Groß­deutsch­land“ etwa 100.000 Zwangs­ar­bei­ter in Berlin.
1943 folgte ein weite­res grau­sa­mes Kapi­tel: Mit der “Fabrik­ak­tion“ Ende Februar wurden 2.000 jüdi­sche Mitbür­ge­rIn­nen, die in rüstungs­wich­ti­gen Betrie­ben in Moabit und Reini­cken­dorf arbei­te­ten, von der SS am Arbeits­platz wegge­holt und in den ehema­li­gen Reit­saal in der Feld­zeug­meis­ter­straße zusam­men­ge­pfercht. Am 3. März sind sie zum Güter­bahn­hof geführt worden, wo sie den Zug nach Ausch­witz bestei­gen muss­ten.

Und auch das war noch nicht das Ende: 25 Jahre nach­dem die Solda­ten aus der Rathe­nower Straße revo­lu­tio­näre Aufstände im Blut erstick­ten, komman­dierte hier Otto Ernst Remer, ein fana­ti­scher Natio­nal­so­zia­list. Er war maßgeb­lich an der Nieder­schla­gung des mili­tä­ri­schen Wider­stan­des gegen Adolf Hitler betei­ligt. Nach dem Atten­tat am 20. Juli 1944 tele­fo­nierte Remer mit Hitler, dann marschierte er mit seiner Truppe zum Ober­kom­mando der Wehr­macht in der Bend­ler­straße. Dort riegelte er das Gebäude ab und ließ die Offi­ziers­gruppe um Oberst Graf von Stauf­fen­berg im Hof stand­recht­lich erschie­ßen. Remer sollte nach der NS-Zeit noch eine lange Karriere inner­halb der Neonazi-Szene machen. Als Poli­ti­ker und Publi­zist war er dort bis zu seinem Tod 1997 gern­ge­se­he­ner Redner.

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